Wer ist der Mensch?
In den letzten Jahren begreifen immer mehr Menschen, dass es möglicherweise sinnvoll sein könnte, weniger nach den Symptomen von Krankheit und mehr nach der Entstehung von individueller Gesundheit zu fragen.
Ein Mensch, der in die Mühlen der Medizin gerät, wird möglicherweise über Jahre von einem Fachmann zum nächsten geschickt werden, ohne, dass sein gesundheitliches Problem wirklich gelöst wird. Warum?
Vermutlich, weil noch keiner der ihn behandelnden Ärzte auf die Idee gekommen ist, sich zu fragen, wer der Mensch ist, der da behandelt werden soll.
Friedrich Schiller als einen Prophet der Salutogenese zu bezeichnen mag verrückt klingen. Schiller selbst litt unter einer katastrophalen gesundheitlichen Konstitution. Schiller war ständig krank, mehrfach totgeglaubt und er starb eines frühen Todes.
Vielleicht ist er deswegen gerade dazu prädestiniert, uns ein anderes Verständnis von Gesundheit näher zu bringen. Sind wir dann gesund, wenn wir frei sind von jeglichem Leiden? Oder sind wir dann gesund, wenn wir der Welt unseren Stempel aufdrücken uns verwirklichen und vielleicht sogar – so wie Schiller – mit unserem Lebenswerk eine ganze Epoche prägen?
Das Leben als heiliges Spiel
Kommen wir zu Schillers ‹ästhetischen Briefen›, die Schiller dem Prinz von Dänemark aus Dankbarkeit schrieb, nachdem dieser ihn wieder mal vor dem ökonomischen Ruin bewahrt hatte.
Die ästhetischen Briefe gehören meiner Ansicht nach zu den schönsten Blüten der abendländischen Kultur. Schiller entwickelt darin ein Menschenbild, das bis heute kaum verstanden wurde und welches dennoch der Salutogenese zu Grunde gelegt werden kann:
«Der Mensch spielt nur, wo er in voller Bedeutung des Wortes Mensch ist, und er ist nur da ganz Mensch, wo er spielt.» (Friedrich Schiller)
So lauten die berühmten Worte, auf die man die Briefe oft reduziert. Man muss sich klar machen, wie existenziell dieses Spielen gemeint ist. Was Schiller ‹Spiel› nennt, das hat nichts zu tun mit unserem herkömmlichen, alltäglichen und trivialen Verständnis von Spiel.
Wir betrachten Spielen oft als etwas bedeutungslosen, als Zeitverschwendung, als etwas, das Kinder tun. Bei Schiller ist Spielen etwas Heiliges, vielleicht sogar etwas Heilendes, könnte man heute dazu sagen.
Der spielende Mensch, der homo ludens, lebt nach Schiller immer in einem Spannungsfeld aus zwei Polen: Unsere Biologie, unser Fleisch, unser Alltagsmensch, unser Gewordensein, das uns festlegt. Und unsere potenzielle Freiheit, unser Geist, unsere Individualität, die nichts zu tun hat mit den Schranken, die das Fleisch uns auferlegt.
Beides ist der Mensch. Ein Tier und ein Gott. Ein Wurm und ein Schöpfer. Ein Gewordener und ein Werdender. Der spielende Mensch balanciert ständig auf dem dünnen Seil zwischen seiner Tierheit und seinem Potenzial, seiner festgelegten Vergangenheit und seiner noch offenen Zukunft. Und für diesen Drahtseilakt brauchen wir den ‹Sense of Coherence›!
War Schiller ein Vorbote der Salutogenese?
Was meint Aaron Antonovsky mit Kohärenz, dem Schlüsselbegriff der Salutogenese? Wenn Antonovsky feststellte, dass Kohärenz Gesundheit zur Folge hat, dann ist das schwer zu leugnen. Was aber ist Kohärenz?
Ist es das, was wir immer wieder herstellen, wenn wir regelmäßig spielerisch üben, ein Anderer zu sein, einer, der wir sein könnten? Wenn wir unserem eigenen Entwurf entgegen wachsen und uns auf dem Weg dort hin unbeirrbar und unkaputtbar im Sinne der Resilienz oder auch der Antifragilität – immer wieder aufs Neue aufrichten? Sind wir dann Schillers spielender Mensch?
Spielen, üben, ein Anderer zu sein als der, der wir geworden sind und damit die Zunahme an wahrer Schönheit in unserem Leben durch die Verwirklichung des heiligen Spiels. Das wäre ein zeitgemäßer Weg der Salutogenese!
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