David Bohm

Was ist eine moderne Spiritualität?

 

 

Antibiotikaresistenz

 Aktuell erleben wir, dass immer mehr Menschen die Frage nach Ganzheitlichkeit und Natürlichkeit stellen. Aber was ist damit gemeint? – Nehmen wir ein nahe liegendes Beispiel: die Medizin.

Auf der einen Seite sehen wir die moderne Medizin, die Medikamente aus isolierten Einzelsubstanzen herstellt. Man isoliert, wie im Falle der Artemisia annua, einen von über zweihundertfünfzig Wirkstoffen, die natürlicherweise in der Pflanze enthalten sind. Dieser isolierte Wirkstoff, das Artemisiniin wird dann gegen Malaria, Krebs oder Borreliose verabreicht. Zuerst überzeugen die Resultate, die man erzielt. Nach einer gewissen Zeit jedoch treten Resistenzen gegen den Wirkstoff auf, wie dies derzeit bei Malaria beobachtet wird. Die Droge wird zunehmend unbrauchbar.

Das gleiche Problem kennen wir aus dem Bereich Antibiotikaresistenz. Auch Antibiotika werden in der Regel aus isolierten Einzelsubstanzen hergestellt, beispielsweise aus Penicillin. Und, oh Wunder, es bilden sich mit der Zeit Resistenzen dagegen. So beginnt ein Wettrüsten mit der Natur: Ein stärkerer Wirkstoff muss her – es bilden sich Resistenzen, ein noch stärkerer Wirkstoff muss her, es bilden sich Resistenzen. Auf der Webseite des Bundesministeriums für Gesundheit ist zu lesen:

«Mit der Entdeckung des Penicillins meinten wir lange Zeit eine Wunderwaffe gegen Infektionskrankheiten zu haben. Zwischenzeitlich aber zeigen die Keime zunehmend ihre Widerstandskraft. Krankheitserreger, die gegen bestimmte Arzneimittelwirkstoffe resistent sind, treten auf und breiten sich aus. Dazu trägt der unsachgemäße Einsatz von Antibiotika bei. Der modernen Medizin droht, wertvolle Errungenschaften im Arzneimittelsektor wieder zu verlieren. Dabei lässt sich die Selektion und Weiterverbreitung von resistenten Krankheitserregern insbesondere durch eine sachgerechtere Verordnung von Antibiotika minimieren.»

Siehe dazu auch: Deutsche Antibiotika-Resistenzstrategie 2020

Wenn dieser Spass nichts kosten würde, wäre das nicht schlimm. Ungeschickterweise verschlingt die Arzneimittel-Forschung jedoch immer enormere Geldsummen – die gerade in Entwicklungsländern, also dort, wo die Medizin am dringendsten gebraucht würde, nicht vorhanden sind. Müssen wir an dieser Stelle möglicherweise grundsätzlich umdenken? 

Auf der einen Seite haben wir also eine Art der Medizin, die ganz auf das isolieren von Wirkstoffen setzt. Zunächst sind die Ergebnisse überragend, mit der Zeit treten jedoch Probleme auf, die man nicht ausreichend bedacht hat. Man hat den Kontext missachtet.

 

Der Weltagrarbericht

Das Gleiche erleben wir übrigens in der modernen Landwirtschaft. Zuerst sah es so aus als würden die phytosanitären Erzeugnisse der Petrochemie eine neue Ära der Fruchtbarkeit und der grenzenlosen Produktivität einläuten. Bis man feststellte, dass es auch eine Kehrseite der Medaille gibt. Und so kommt es, dass immer mehr Menschen den grenzenlosen Einsatz von Chemie in Frage stellen. 

« Über 400 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler fassten 2008 im Auftrag der Weltbank und der Vereinten Nationen den Stand des Wissens über die globale Landwirtschaft, ihre Geschichte und Zukunft zusammen. Dieser Weltagrarbericht ist unbequem und alarmierend, warnt vor Irrwegen und zeigt Lösungen auf.»

Siehe dazu: Weltagrarbericht.

Auf der anderen Seite sehen wir den Trend ‹Zurück zur Natur›. Homöopathie, Naturheilkunde, ökologische Ernährung erfreuen sich zunehmender Beliebtheit. Die große Gefahr, die ich dabei sehe, besteht darin, das ‹Kind mit dem Bade› auszuschütten. Nicht alles, was die Schulmedizin bietet, ist schlecht. Und vieles, was als Alternative beworben wird, ist schlicht und ergreifend Hokus Pokus.

 Natürlich esse ich lieber ein Gemüse, dass nicht mit Gift besprüht wurde. Selbstverständlich trinke ich persönlich lieber einen Artemisia-Tee als eine Tablette zu schlucken oder, besser noch, mich gegen Grippe impfen zu lassen. – Aber ist das bereits die ganze Antwort auf das Problem? Wir können das Rad der Zeit nicht zurück drehen. So sehr wir uns auch nach dem ‹Früher war alles besser› sehnen, die Zeit läuft unbeirrbar vorwärts. 

 

Jenseits des Dualismus

Halten wir fest: Weder das Isolieren von Substanzen alleine scheint uns voran zu bringen, noch das stumpfsinnige Festhalten an vor-modernen Methoden und Philosophien. Beide Lager haben einen Teil der Wahrheit. Ich denke jedoch, das, was wirklich gebraucht wird, geht über beides hinaus. Weder die orthodoxe Schulmedizin noch die sogenannte Alternativmedizin sind des Rätsels Lösung, wenn nicht grundsätzlich umgedacht wird. Was aber könnte dieses Neue, das wir suchen, sein?

 Wir müssen uns klar machen, dass unter jedem äußeren Phänomen eine unausgesprochene Weltanschauung verborgen liegt. Der Landwirt, der seine Felder – im guten Glauben – mit Gift besprüht, weiss nicht, dass seinem Handeln ein materialistisches Weltbild zu Grunde liegt. Er handelt einfach, ohne sich dafür Rechenschaft abzulegen.

Wenn wir bis an die Wurzel fast aller modernen Probleme gehen, von der ökologischen Krise bis hin zur wachsenden Selbstmordrate in den Industrienationen, dann finden wir dort eine tief in uns verankerte Weltanschauung: den Dualismus.

Und das ist nicht theoretisch gemeint. Ich spreche von dem, was unserem realen, täglichen, praktischen Handeln zu Grunde liegt, nicht von dem, was wir uns einreden, was wir zu glauben meinen, während wir letztendlich doch dualistisch und materialistisch handeln.

Der Dualismus trennt zwischen Körper und Geist, zwischen Ich und Welt, zwischen Diesseits und Jenseits. Der Begriff ‹Umwelt›, wie Dr. Hemmerich ein mal festgestellt hat, ist bereits der Anfang der Umweltverschmutzung. Ein traditionell lebender Indianer konnte die Umwelt nicht verschmutzen, weil es für ihn keine Umwelt gab.

Für den vormodernen Menschen gab es keine Trennung von Ich und Welt. Die Umwelt war eine Mitwelt. Der Mensch war ein Mitweltwesen. Man lebte in Clans oder in einer sozialen Ordnung, die ‹von den Göttern› gegeben war.

Auch hier in Europa war dies bis vor wenigen hundert Jahren der Fall. In vielen Kulturen herrscht das vormoderne Bewusstsein noch heute. Diese Völker haben erst noch vor sich, was wir in Europa bereits seit Jahrhunderten durchmachen: die Isolation des Einzelnen aus der Gesellschaft, die wissenschaftliche Analyse der Welt, der ‹Tod der Götter›.

 

Eine neue Spiritualität

Was ist also zu tun? Gehen wir immer weiter in die Vereinzelung hinein und finden wir durch die Vereinzelung hindurch zu einer neuen Ganzheit? Eine Ganzheit, die das Individuum nicht auslöscht. Eine Ganzheit, bei der ich meinen Verstand behalten darf?

 Für das Gefühlsleben mag eine die Flucht in die Vormoderne vorübergehend Erfüllung bieten. Ich meine jedoch, dass wir den Verstand und alles, was wir ihm verdanken, mitnehmen können und sollten in die Zukunft. Vor die Aufklärung zurückzufallen und sich in esoterische Scheinwelten zu verschanzen ist für mich keine Alternative. Ich will mich aktiv einbringen und hineinstellen in das Weltgeschehen!

Einer derjenigen Menschen, die dieses Problem am klarsten gefasst haben und die, meines Erachtens nach, am nächsten, zumindest am Anfang einer Lösung dran sind, das war der Physiker David Bohm.

Bohm hat versucht, eine neue Physik zu begründen, die sowohl die Relativitätstheorie Einsteins als auch die Phänomene der Quantenphysik erklären kann. Bis heute stehen Relativitätstheorie und Quantenphysik unvereinbar nebeneinander. Beide Theorien scheinen wahr zu sein aber beide Theorien können nicht gleichzeitig wahr sein. Die ‹Weltformel›, nach der die Physiker heute suchen und nach der auch Bohm gesucht hat, muss also beides umfassen.

 Bohm ist zu dem Modell der ‹impliziten Ordnung› gekommen. Bohm unterscheidet die explizite Ordnung – die Welt in Raum und Zeit, die wir vermessen können und die implizite Ordnung – die Ebene der Wirklichkeit, in der weder Raum noch Zeit existieren, in der alles instantan miteinander verbunden ist. 

Man könnte Bohms Theorie leicht als Esoterik abtun, wenn es im Jahr 1992 nicht gelungen wäre, das EPR-Paradoxon zu beweisen, übrigens hier auf Teneriffa. Das Einstein-Podolsky-Rosen-Paradoxon war bis 1992 nur ein Theorem. Inzwischen ist es ein Fakt. Die Konsequenzen dieser Entdeckung werden bereits technologisch vom Militär genutzt, nämlich zur instantanen Übertragung von Daten. 

Sehen wir uns eine Hand an. Stecken wir die Finger dieser Hand in eine Wasseroberfläche. Stellen wir uns vor, wir seien ein Wasserläufer, ein Wesen, das auf der Wasseroberfläche beheimatet ist. Für den Wasserläufer erscheinen die einzelnen Finger, die in seiner Welt erscheinen, separate Inseln dar, die er getrennt voneinander untersuchen kann. Was der Wasserläufer nicht sieht, das ist, die Hand, zu der die einzelnen Finger gehören.

 An diesem Beispiel können wir sehen, wie das, was uns als getrennt erscheint – die explizite Wirklichkeit in Raum und Zeit – in Wahrheit miteinander verbunden ist – die implizite Wirklichkeit. Um das sehen zu können müssten wir jedoch ebenso über die bekannten Dimensionen von Raum und Zeit hinaus gehen, wie der Wasserläufer über seine Flächenwelt hinausgehen müsste, um die räumliche Hand zu erkennen.

Wir benötigen also einen Bewusstseinssprung. Wir brauchen eine andere Perspektive als die, die wir bisher antrainiert bekommen haben. Was könnte diese neue Perspektive sein? 

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1 Kommentar

Hab leider viel zu wenig gelesen, und das ist auch noch sehr lange her. Aber hat nicht der Leipniz in seiner Monadologie so eine übergeordnete Einheit schon mal zu beschreiben versucht?
Sehr schöner Text mit überzeugenden, klaren Argumenten übrigens. Gerne gelesen.
Kann es sein, daß die Vereinzelung und Verknöcherung letztlich alle Systeme betrifft, sozusagen natürlicher Alterungsprozeß ist? So wie ein Baum immer größer und verzweigter wird, bis er schließlich, im Stamm faul und brüchig, am eigenen Gewicht zerbricht…
Danke erst mal für die schönen Gedanken.

Alice Wunder

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